Nachgefragt: „Wie bekommen wir Erdgasleitungen H2-ready?“

Der Transport von Wasserstoff mittels Pipelines stellt einen entscheidenden Faktor in der Implementierung einer Wasserstoffinfrastrukt dar. Viele der derzeit verbauten Rohrleitungsstähle reagieren jedoch auf den Kontakt mit Wasserstoff, indem sich die Bruchdehnung grundlegend verringert und sich eine Wasserstoffsprödigkeit einstellt. Daher forscht das HySON Institut an einem Beschichtungsverfahren für den Wasserstofftransport, um das Bestandsnetz „h2-ready“ zu machen.

Neben konventionellen Tauglichkeitsprüfungen werden auch Permeation und Langzeitstabilität untersucht

Dominik Jankowski im Interview über Herausforderungen bei der Beschichtung von bestehenden Erdgastransportleitungen für den Transport von Wasserstoff

Bild Dominik Jankowski

Dominik Jankowski, Projektleiter für das Projekt zur Entwicklung eines Beschichtungsverfahren für den Wasserstofftransport

Herr Jankowski, Sie leiten das Projekt zur Innenbeschichtung bestehender Erdgasleitungen, um künftig den Transport von Wasserstoff in solchen Leitungen zu ermöglichen. Weshalb ist die Entwicklung einer Beschichtung von Bestandsleitungen von Bedeutung?

Jankowski: Die zukünftig benötigten Mengen Wasserstoff sind kapazitiv nicht alleine im geplanten „Hydrogen Backbone“ vorgesehen. Hier müssen bestehende Erdgastransportleitungen und vor allem Speichermöglichkeiten wie Kavernenspeicher eingebunden werden. Die verbauten Rohrleitungsstähle reagieren jedoch auf den Kontakt mit Wasserstoff, indem sich die Bruchdehnung grundlegend verringert und sich eine Wasserstoffsprödigkeit einstellt. Zusammen mit den Lastwechseln der erneuerbaren Energien, kann es hier zu einem Sicherheitsrisiko für Mensch und Natur kommen.

Welche Einstellung haben Leitungshersteller zu besagter Problematik?

Leitungshersteller positionieren sich hier auch klar zu einer Wasserstoffverträglichkeit ihrer neuen Leitungen. Der Bestand wird jedoch nur in einigen wenigen Pilotprojekten auf die Verträglichkeit untersucht und bisher auf eine Wasserstoffbeimischung zum Erdgas von bis zu 20 oder 30 % zugelassen. Wenn wir bis 2045 die Klimaneutralität erreichen wollen, müssen auch bestehende Erdgasleitungen auf den Transport von 100% Wasserstoff vorbereitet werden. Die Innenbeschichtung verhindert dabei eine Wasserstoffversprödung und sorgt dafür, bereits verlegte Erdgasleitungen auch noch über Jahrzehnte hinweg verwendbar zu machen.

Sind die bestehenden Leitungen und Armaturen nicht für Wasserstoffgas geeignet?

Jankowski: Eine eindeutige Antwort ist hier nicht zu treffen. Das Leitungsnetz vom Hausanschluss bis zur Erdgasförderung besteht aus unterschiedlichen Materialien. Kunststoffe, die meist im Verteilnetz verbaut sind, sind nicht anfällig für Wasserstoff, lassen diesen jedoch in geringen Mengen durch die Leitung diffundieren. Das ist aber auch bei der Verwendung von Erdgas eine bekannte Eigenschaft. Laut DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH und MITNETZ Gas GmbH ist diese Permeation sicherheitstechnisch unbedenklich.

Welche Materialien sind kritischer zu betrachten?

Jankowski: Es gilt auf jeden Fall die verbauten Stähle eingehend zu untersuchen. Stähle lassen an Fehlstellen eine Diffusion von Wasserstoff zu, der eine Versprödung und somit erhöhte Rissbildungen im Material hervorruft. Druckwechsel vergrößern diese Fehlstellen und der Vorgang wiederholt sich.

Dies wirkt sich schlussendlich auf die Lebensdauer einer Leitung aus?

Jankowski: Inwieweit dies die Lebenszeit einer Pipeline verkürzt, muss untersucht werden. Erste Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass die Verkürzung noch im ausgelegten Sicherheitsbereich liegt. Diese Aussage bezieht sich auf untersuchte Stähle, die für den kommenden Wasserstofftransport ausgelegt sind. Hier besteht jedoch konkret Handlungsbedarf in einer gekoppelten Analyse und Ertüchtigung der bestehenden Erdgaspipelines.

Damals wurde Stadtgas in den Leitungen transportiert und hatte keine Auswirkungen auf Dichtigkeit oder Versprödung der Materialien. Warum sollte Wasserstoff jetzt ein Sicherheitsrisiko sein?

Jankowski: Ich kenne persönlich keine Untersuchungen an Stahlleitungen, die diese These konkret stützt. Weiter sind die Bedingungen für den Transport der beiden Gase vollkommen unterschiedlich. Stadtgas bestand zur Hälfte aus Wasserstoff, zu ca. 20% aus Methan, zu ca. 15 % Stickstoff. Der Rest setzt sich aus Kohlenmonoxid, weiteren Spurenanteilen von Kohlenwasserstoffen und ähnlichem zusammen. Darüber hinaus war das Gas viel feuchter, als das heutige Erdgas oder der zukünftige Wasserstoff. Das Gas hatte also grundlegend eine andere Beschaffenheit. Betrachtet man dazu Materialuntersuchungen, konnte festgestellt werden, dass es hohe Korrosionseigenschaften zur Folge hatte und vor allem das Risswachstum ein Sicherheitsrisiko ergab. Nach der Umstellung auf Erdgas  gab es jedoch große Austauschaktionen von Leitungen, Dichtungen und Armaturen, wodurch vorbeschädigte Leitungen ausgetauscht wurden.

Hatte dies in der Vergangenheit konkrete Folgen?

Jankowski: Ja, hier kam es in der Vergangenheit unter anderem sogar zum Versagen von Leitungen. Eine Beimischung von Wasserstoff ist heute nach ersten Untersuchungen bis 10 Vol.-% möglich und unbedenklich. Oberhalb dieser Beimischgrenze müssen die Leitungen individuell geprüft werden. Weiter fand die Umstellung von Stadtgas in den alten Bundesländern bis 1978 und in den neuen Bundesländern erst nach der Wiedervereinigung statt. Mehr als 58% des Verteilnetzes und ca. 68% im Transportnetz wurden vor 1990 erbaut und waren somit mit hoher Wahrscheinlichkeit Stadtgas schon einmal ausgesetzt. D.h. Vorschäden können hier trotz Austauschaktion nicht komplett ausgeschlossen werden.

Was sind die größten technischen Herausforderungen bei der Entwicklung eines Beschichtungsverfahrens?

Jankowski: Genau die gleichen, die sich ergeben, wenn ich eine neue Technologie entwickeln möchte. Ich habe ein bestehendes System, dass für neue Gegebenheiten vorbereitet werden muss. Die größten Systemeinflüsse sind jedoch auf den Zustand der, im Boden liegenden Leitungen zurückzuführen. Es gibt eine Vielzahl von verbauten, unterschiedlichen Stählen sowie unterschiedliche Leitungsnennweiten, Korrosionsschutzmaßnahmen und Verunreinigungen. Die Liste wird viel länger, wenn man die verbauten Abzweigungen und Armaturen mit einbezieht. Hier muss man stets den Überblick behalten und versuchen den Großteil der Leitungen mit dem Verfahren abdecken zu können. Am HySON Institut verwenden wir dazu viele Strukturierungsmöglichkeiten, die wir möglichst in einer Wissensdatenbank zusammenlaufen lassen und somit Synergien zwischen Fachbereichen entstehen lassen.

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